Quelle: Havadis
Foto: Freepik
Autor: Deniz Baturer

Datum: 30/05/2025
Kategorie: Welt

Die Gefahr eines Wiederaufflammens interner Konflikte in Bosnien und Herzegowina

Ah, Bosnien und Herzegowina… Die zarte, zerbrechliche Geographie des Balkans. Als ob man durch eine Zeitreise ginge, schwebt der Schatten alter Schmerzen, ungelöster Rechnungen immer noch über diesem Land. Das Risiko eines Wiederaufflammens interner Konflikte? Das ist leider mehr als nur eine Prophezeiung, es ist eine Möglichkeit, die einem ständig an den Nägeln nagt und den Schlaf raubt.

Das Dayton-Abkommen, das wir einst als “endlich Frieden” bejubelten, war in Wahrheit wie eine Zwangsjacke. Es teilte das Land, vertiefte ethnische Bruchlinien, etablierte eine schwache Zentralregierung und erschwerte bei jedem Schritt das Atmen des Landes. Die politische Instabilität Bosniens wurzelt heute in eben diesem Erbe des Abkommens. Es ist eine politische Theaterbühne, auf der die drei ethnischen Gruppen einander misstrauen und ständig ihre eigenen nationalen Interessen in den Mittelpunkt stellen. Auf der einen Seite der Wunsch der Bosniaken nach territorialer Integrität, auf der anderen Seite die separatistischen Bestrebungen der Serben, und dazwischen die eigene Agenda der Kroaten… Niemand ist wirklich zufrieden, niemand kann mit voller Hoffnung in die Zukunft blicken.

Besonders die Haltung des serbischen Führers Milorad Dodik gießt ständig Öl ins Feuer. Seine separatistischen Rhetoriken, seine Missachtung der Verfassungsordnung Bosnien und Herzegowinas, erzeugen fast jede Woche eine neue Welle der Spannung. Dies bleibt nicht nur bei Worten, sondern wird auch durch konkrete Schritte untermauert. Seine Bemühungen, eigene Polizeikräfte aufzubauen, seine Weigerung, die Entscheidungen des bosnischen Verfassungsgerichts anzuerkennen, sind klare Versuche, den Staat zu lähmen. Wenn ein “Kleinstaat” innerhalb eines Staates ständig die Zentrale herausfordert, wie stabil kann diese Struktur dann bleiben?

Die wirtschaftliche Notlage kommt noch hinzu. Die Arbeitslosigkeit ist alarmierend hoch, besonders unter jungen Menschen ist die Hoffnungslosigkeit weit verbreitet. Leere Mägen, leere Geldbeutel waren schon immer die gefährlichsten Pulverfässer. Während Armut und Migration die bosniakischen Gebiete buchstäblich zerfressen, versuchen die serbischen und kroatischen Mehrheitsgebiete, ihren eigenen Weg mit unterschiedlichen ausländischen Investitionen zu gehen. Diese Ungleichheit schürt die bereits bestehende ethnische Spaltung weiter und macht die Menschen bereit, sich gegenseitig zu bekämpfen.

Und was macht die internationale Gemeinschaft? Die Europäische Union behandelt Bosnien seit langem eher als “Beruhigungsakt” denn als “Kandidat”. Reformforderungen, Beitrittskriterien – seit Jahren wird eine Verzögerungstaktik verfolgt. Brüssel weiß, dass ein EU-Beitritt mit der multiethnischen Struktur und der schwachen institutionellen Kapazität des Landes nahezu unmöglich ist. Doch dies offen auszusprechen, würde bedeuten, eigene Schwächen in der Sicherheitsarchitektur einzugestehen. Dies ist der größte Widerspruch, der Bosnien wie eine jederzeit explodierende Bombe der Ungewissheit überlässt.

Auch Russlands Einfluss in der Region, seine Versuche, die föderale Struktur in Bosnien über Figuren wie Milorad Dodik zu schwächen, tragen dazu bei. Ja, der schwindende Einfluss Russlands durch den Ukraine-Krieg mag Dodiks Position etwas geschwächt haben, aber das bedeutet nicht, dass Moskau seine Hände vom Balkan lässt. Auch Serbien achtet darauf, die Beziehungen zur EU nicht abzubrechen, kann es aber nicht lassen, ab und zu die Lage zu sondieren.

Die Türkei wiederum, als einer der Akteure in der Region, verteidigt sowohl die territoriale Integrität Bosniens als auch versucht, eine Vermittlerrolle zu übernehmen. In diesem sensiblen Gleichgewicht versucht sie, die schwindenden Einflüsse des Westens für sich zu nutzen.

Kurz gesagt, das Risiko eines Wiederaufflammens interner Konflikte in Bosnien und Herzegowina ist leider keine geringe Wahrscheinlichkeit. Das Erbe von Dayton, eine in ethnischer Politik gefangene Regierung, die Wirtschaftskrise und das “Wegschauen” der internationalen Gemeinschaft sind die Hauptadern, die dieses Risiko nähren. Während die Wunden des Krieges noch nicht ganz verheilt sind, können diese tiefen Bruchlinien jederzeit wieder beben. Unser Wunsch ist, dass Vernunft und Besonnenheit die Oberhand gewinnen. Aber die Geschichte hat uns in dieser Geographie sehr schmerzliche Lektionen erteilt…

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