Quelle: Havadis
Foto: Freepik
Autor: Burhan Güleryüz

Datum: 28/05/2025
Kategorie: Allgemein

Was ist der Mensch? Eine Gedankenreise

Auf dieser Gedankenreise, die ich mit dem scharfsinnigen Geist Mark Twains angetreten habe, verspürte ich das Bedürfnis, das Wesen Mensch neu zu beleuchten. Twains kritische Beobachtungen über die menschliche Natur, vermischt mit meinen eigenen inneren Fragen, haben ein Bild hervorgebracht, das erschütternd, aber auch erhellend ist.

Der Ursprung von Wissen und Denken: Ein Erbe?

Sind wir, wie Twain behauptet, tatsächlich Wesen, die “kein Wissen und keine Gedanken besitzen”? Ihm zufolge empfangen wir alles von unseren Vorfahren und von außen. An diesem Punkt drängt sich sofort die Frage auf: “Woher nahm der erste Mensch es?” Die Antwort darauf hallt in den monotheistischen Religionen wider: von Gott. Adam lernte alles von Gott; seine Söhne von Adam, und wir von den Informationen unserer Vorfahren. Wir beobachteten, wir lernten von Tieren. Wir wurden geboren, wir lernten von unserer Umgebung. In diesem Kreislauf hatte niemand eine originelle Idee, und alle waren sich einig, denn die Information kam von außen. Sogar unsere bestehenden (zuvor von außen empfangenen) Ideen änderten sich unter dem Einfluss von etwas anderem von außen, sei es ein Buch, das wir gelesen haben, ein Ereignis, das wir beobachteten, oder ein Gespräch, das wir führten. Es gab immer ein “Jemand”, weil es eigentlich “uns” nicht gab. Diese Situation erinnert uns erneut an die Bedeutung des Ortes, an dem wir geboren, aufgewachsen und uns befinden; denn wir existierten durch die “Anderen” um uns herum. Das heißt, in gewisser Weise, existierten wir nicht.

Güte, Gewissen und die Beziehung des Menschen zum Tier

Twain behauptet, der einzige Grund, warum Menschen anderen Gutes tun, sei ihr eigenes Glück. Dies ist eine Ansicht, der ich zutiefst zustimme. Weiterhin führt er aus, dass das menschliche Gewissen ebenfalls durch die Umwelt geformt wird und ohne eine Reaktion von außen kein Gewissen entstehen kann. Dies weist eine frappierende Parallele zu Freuds Konzept des Über-Ichs auf.

Eine von Twains kühnsten Behauptungen ist, dass Tiere und Menschen den gleichen Verstand besitzen und dass Menschen Tiere aus ihrer eigenen Arroganz als gedankenlos bezeichnen. Er geht sogar noch weiter und sagt, dass Menschen nicht so gut sein können wie Tiere und dass sie ihr Wissen von Tieren erlangt haben. Wenn man bedenkt, dass die Menschheit ursprünglich das Töten und Bestatten von Tieren beobachtete und anwandte, ist er in dieser Behauptung nicht ganz unrecht. Er betont hier auch die Sprache: Tiere sprechen auch, das können wir durch Beobachtung verstehen, aber wir können nur nicht verstehen, was sie sagen. Stellen wir uns vor, Menschen sprechen eine Sprache, die wir nicht kennen. Können wir behaupten, dass diese Menschen nicht sprechen oder gedankenlos sind, nur weil wir nicht verstehen, was sie sagen, oder weil sie nicht wie wir sind?

Materielles und Immaterielles: Teile eines Ganzen

Twain behauptet, dass nichts materiell und immateriell getrennt werden kann, weil alles spirituell ist. Geld, Haus, Auto sind für ihn nicht materiell; sie sind nur die symbolisierte Form unserer spirituellen Gefühle. Wenn man bedenkt, dass der Wert von Dingen je nach ihrer Bedeutung und Erinnerung für uns variiert, scheint diese Ansicht nicht unberechtigt zu sein. Der Wert eines Objekts steigt mit der Bedeutung, die wir ihm beimessen, während ein Gegenstand, zu dem wir keine spirituelle Verbindung haben, nur ein Objekt bleibt.

Ist der Mensch eine Maschine? Das Ende des freien Willens-Mythos

Und vielleicht das Faszinierendste: Twain sagt, dass das menschliche Temperament niemals verändert werden kann und dass alle unsere Reaktionen dementsprechend geformt werden. Ihm zufolge ist der Mensch eine Maschine, und sein Schöpfer ist Gott. Es gibt so etwas wie freien Willen nicht; es gibt nur freie Wahl. Die Handlungen, Richtiges und Falsches der Menschen unterscheiden sich je nach ihrem Temperament. Das bedeutet, dass nicht unser Wille, sondern unsere angeborenen und durch Umwelteinflüsse geformten Temperamente uns leiten.

Mark Twains tiefe und erschütternde Beobachtungen zerlegen die stereotypen Antworten auf die Frage “Was ist der Mensch?” Vielleicht können wir in dieser Zerstörung ein realistischeres und demütigeres Verständnis von uns selbst erlangen. Wer weiß, vielleicht liegt das Geheimnis des Wissens und der Existenz genau in diesen Fragen verborgen.

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